Wirtschaftlichkeit von Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes für Flüchtlinge

Denkschrift 2017, Beitrag Nr. 9 (Kapitel 1503)

Zum Stichtag 11.05.2016 unterhielt das Land 36.218 Erstaufnahmeplätze an 32 Standorten. Im Prüfungszeitraum war durchschnittlich nur ein Fünftel der Plätze belegt. Die Situation im Untersuchungszeitraum des Rechnungshofs war durch hohe Kapazitäten und eine geringe Auslastung geprägt. Neubaumaßnahmen oder gar eine Erhöhung der Kapazitäten waren nicht angezeigt.

Um für den Fall erneut steigender Zugangszahlen gewappnet zu sein, sollte die Landesregierung den von ihr ermittelten langfristigen Bedarf an Plätzen möglichst durch eine intensivere Nutzung bestehender Einrichtungen decken. Besonders geeignet wären Einrichtungen, die - wie Kasernenareale - flexibel auf schwankende Zugangszahlen reagieren können und durch vorhandene Flächenreserven auch Extremsituationen wie im Herbst 2015 bewältigen können. Die Liegenschaft in Herrenberg wies mit einem zusammenhängenden Gebäudekomplex nicht die notwendige Flexibilität auf.

Der Rechnungshof zeigte auf, dass unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie nur solche Liegenschaften als Landeserstaufnahmeeinrichtung geeignet sind, die aufeinander abgestimmte Flächenkapazitäten für die Unterbringung, Registrierung, medizinische Untersuchung und die Durchführung des Verfahrens beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufweisen. Nur so ließen sich Bearbeitungsstaus vermeiden, die zu längeren Verfahrens- und Unterbringungszeiten und somit zu Mehrkosten führen. Die damaligen Planungen für Herrenberg wiesen insbesondere für die Unterbringung des Bundesamts unzureichende Flächen aus.

Der Rechnungshof veranschaulichte, dass das größte Einsparpotenzial bei den Kosten für die Erstaufnahme von Flüchtlingen eine Optimierung der Durchführung von Asylverfahren in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge darstellt. Die für das Patrick-Henry-Village Heidelberg entwickelte Konzeption eines Ankunfts- und Registrierungszentrums war hierzu richtungsweisend. Die Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sollte das Land durch eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung verbessern und auf eine sichere Planungsgrundlage stellen.

Parlamentarische Behandlung

Der Landtag hat die Landesregierung gebeten, die Empfehlungen des Rechnungshofs bei der Konzeption der Erstaufnahme von Flüchtlingen zu berücksichtigen. Mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sollte eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung mit dem Ziel, die Aufnahmekapazität und die Verfahrenskapazität besser aufeinander abzustimmen, abgeschlossen werden. Des Weiteren sollte eine Reform des Flüchtlingsaufnahmegesetzes mit dem Ziel größerer Flexibilität und eine Bundesratsinitiative für eine entsprechende Reform des Asylgesetzes geprüft werden.

Reaktion der Landesregierung

Die Landesregierung hat mitgeteilt, dass auf Basis der Standortkonzeption zur Neugestaltung der Aufnahme von Flüchtlingen ein degressiver Abbau von Unterbringungskapazitäten erfolge. Soweit wie möglich nutze das Land im Rahmen dieses Konzeptes auch Kasernenareale zur Erstunterbringung von Flüchtlingen. An allen vier Standorten stehe eine Maximalkapazität von bis zu 1.000 Plätzen zur Verfügung. Teilweise liege die Regelkapazität aber darunter.

Der Abschluss einer öffentlich-rechtlichen Verfahrensvereinbarung mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) werde weiterhin angestrebt. Nach aktuellem Sachstand könne diese Maßnahme im Laufe des Jahres 2019 erfolgreich abgeschlossen werden.

Eine Unterbringungsdauer von bis zu sechs Monaten (§ 47 Abs. 1 Asylgesetz) sei für die Funktionalität der Erstaufnahme ausreichend flexibel. Darüber hinaus sei es im Rahmen bundesgesetzlicher Vorgaben bereits möglich, Personen mit geringer Schutzquote über diesen Zeitraum hinaus in Erstaufnahmeeinrichtungen unterzubringen. Daher sei unter diesen Gesichtspunkten eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Asylgesetzes nicht opportun.

Parlamentarische Erledigung

Der Landtag hat den Bericht der Landesregierung zur Kenntnis genommen und das parlamentarische Verfahren am 21.02.2019 beendet.

Bewertung Zielerreichung

Die Standortkonzeption des Landes zur Neugestaltung der Erstaufnahme von Flüchtlingen setzt wesentliche Empfehlungen des Rechnungshofs bereits um. Durch Gesetzesinitiativen des Bundes besteht zwischenzeitlich eine größere Flexibilität hinsichtlich der Aufenthaltsdauer in Einrichtungen der Erstaufnahme. Die landesrechtliche Umsetzung ist angekündigt. Eine Vereinbarung mit dem BAMF liegt ebenfalls noch nicht vor. Der Landtag hat die Landesregierung gebeten, dem Landtag hierüber bis zum 30. Juni 2020 im Rahmen der erneuten Berichterstattung zu der Beratenden Äußerung des Rechnungshofs vom 13. Dezember 2017 - Flüchtlingsaufnahme in Baden-Württemberg – zu berichten.

Weitere Behandlung

Letzte Änderung dieses Artikels: 14.07.2020