Haushalts- und Wirtschaftsführung der Institute für Anatomie und Zellbiologie der Medizinischen Fakultäten an den Universitäten des Landes [Beitrag Nr. 17]

Körperspenden sind ein unverzichtbarer Beitrag zu einer anspruchsvollen Ausbildung junger Mediziner und zunehmend auch zur Weiterbildung für Ärzte und ärztliche Hilfsberufe. Die anatomischen Institute in Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm gehen mit den Körpern Verstorbener sorgfältig, respektvoll und juristisch korrekt um.

Das Wissenschaftsministerium und die Medizinischen Fakultäten müssen eine Strategie entwickeln, um das Fach Anatomie auch künftig für den wissenschaftlichen Nachwuchs attraktiv zu halten. Finanziellen Gesichtspunkten sollte dabei nur eine nachgeordnete Bedeutung zukommen.

1 Ausgangslage

Die anatomischen Institute an den Medizinischen Fakultäten des Landes sind Zentren der anatomischen Forschung und nehmen in der vorklinischen Ausbildung der Medizinstudierenden eine zentrale Aufgabe wahr. Der Unterricht im Fach Anatomie umfasst die theoretische Wissensvermittlung und den praktischen Umgang mit den Körpern Verstorbener in Präparierkursen. Diese Kurse vermitteln nicht nur Anschauung und praktische Fertigkeiten. Sie haben auch die Funktion, die Studierenden an einen respektvollen Umgang mit dem menschlichen Körper heranzuführen. Im Präparierkurs sammeln die Studierenden Erfahrung mit ihrem ersten "Patienten".

Der Rechnungshof hat 2015/2016 die Anatomischen Institute Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm geprüft. Diese vier Institute verwenden in ihren Präparierkursen die Körper Verstorbener. An der Medizinischen Fakultät in Mannheim wird den Studierenden das Fach Anatomie überwiegend anhand von Plastinaten vermittelt. Vor diesem Hintergrund haben wir den Standort Mannheim nicht in die Prüfung einbezogen.

Schwerpunkt der Prüfung des Rechnungshofs waren die Haushalts- und Wirtschaftsführung der anatomischen Institute und der Umgang mit den Körperspenden.

Dass die anatomischen Institute über Körper verfügen können, verdanken sie der Bereitschaft der Verstorbenen, ihren Körper nach dem Tod für Zwecke der Lehre, Forschung und Weiterbildung zu spenden. Die Körperspender treffen zu Lebzeiten eine Verfügung, in der die Einzelheiten der Spende, die Art des Umgangs mit ihr und die Leistungen der Institute im Zusammenhang mit der Bestattung der Körper geregelt werden. Im Unterschied zu den meisten anderen Ländern erheben die baden-württembergischen Institute für ihre Leistungen bei der Bestattung der Körper keine Entgelte.

Außer für Zwecke der anatomischen Lehre benötigen die anatomischen Institute Körper Verstorbener zunehmend auch für Weiterbildungsveranstaltungen, die sich an Ärzte und ärztliche Hilfsberufe richten.

In Tübingen wurde mithilfe eingeworbener Drittmittel eine bundesweit einmalige technische Ausstattung geschaffen, die sowohl studentische Ausbildung als auch Weiterbildungsveranstaltungen auf höchstem Niveau ermöglicht.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Anatomische Forschung

Die anatomischen Institute erbringen in der Forschung beachtete Leistungen. Neben klassischen Themen wie Neuroanatomie und Zellforschung werden in Ulm und Tübingen auch Forschungsprojekte betrieben, die auf wissenschaftlicher Grundlage Erkenntnisse über Voraussetzungen und Wirkungen anatomischer Lehre gewinnen. Die für diese Projekte eingeworbenen Drittmittel dienen mithin auch der Verbesserung der vorklinischen und klinischen Lehre.

2.2 Anatomische Lehre

Die vier anatomischen Institute bemühen sich erfolgreich um eine hohe Qualität ihres theoretischen und praktischen Lehrangebots. Der Erfolg zeigt sich an allen vier Standorten in bundesweit überdurchschnittlichen Examensergebnissen im Fach Anatomie.

Verbesserungspotenziale zeigten sich bei der Dokumentation der individuellen Lehrleistung. Während an der Universität Tübingen alle Lehrenden diese vorschriftsgemäß erbrachten und dokumentierten, war die Dokumentation der Lehrleistung an den drei anderen Standorten unvollständig. Zum Teil wurden die notwendigen individuellen Erklärungen durch kollektive Erklärungen ersetzt.

2.3 Weiterbildung

An den vier Instituten fanden in unterschiedlichem Umfang Weiterbildungsveranstaltungen statt. Neben der Vermittlung anatomischer Kenntnisse hat dabei auch die chirurgische Weiterbildung anhand der gespendeten Körper zunehmende Bedeutung. An der Universität Tübingen leistet das Anatomische Institut nicht nur einen beachtlichen Anteil am Weiterbildungsangebot der Universitätsmedizin, sondern erwirtschaftet damit jedes Jahr Deckungsbeiträge, von denen auch die studentische Ausbildung profitiert. Der Rechnungshof hat alle vier anatomischen Institute auf die Notwendigkeit einer sorgfältigen Kalkulation der Weiterbildungsentgelte hingewiesen. Soweit Weiterbildungsangebote von den Professoren in eigenem Namen angeboten werden, müssen kostendeckende Nutzungsentgelte für die in Anspruch genommenen Ressourcen erhoben werden.

2.4 Umgang mit den Körperspenden

Die Prüfung hat ergeben, dass an allen vier anatomischen Instituten mit den Körperspenden sorgfältig und respektvoll umgegangen wird. Dies gilt nach unseren Feststellungen für den gesamten Prozess vom Abschluss der Körperspendenverfügung bis zur Kremierung und Beisetzung. Der Beisetzung geht eine Trauerfeier voraus, die die Studierenden würdevoll gestalten und an der die Angehörigen der Verstorbenen teilnehmen.

Die Institute konnten dem Rechnungshof nachweisen, dass alle gespendeten Körper, wie mit den Spendern vereinbart, ausschließlich für Lehre, Weiterbildung und Forschung verwendet werden und stets am Ort des Instituts verbleiben. Ein Handel mit Körperspenden oder ein Transfer von Teilen der Körperspenden an andere Einrichtungen wurde an keinem der vier Standorte festgestellt.

Die geografischen Einzugsbereiche für Körperspenden sind bei drei Instituten aus historischen Gründen relativ groß. Dies führt manchmal dazu, dass die Institute nach dem Tod des Spenders die Körperspende ablehnen müssen, weil kein Bedarf besteht.

Soweit im Umgang mit den Körperspenden Leistungen Dritter in Anspruch genommen werden (z. B. von Sargtischlern oder Bestattungsunternehmen), hat der Rechnungshof die Institute darauf hingewiesen, dass die Leistungen nicht immer vergaberechtskonform ausgeschrieben wurden.

2.5 Personalstruktur und Perspektiven der anatomischen Institute

Die Prüfung des Rechnungshofs hat ergeben, dass in einigen Fällen freie Stellen für Professoren und Akademische Mitarbeiter über längere Zeit unbesetzt geblieben sind. Dies vermindert die Forschungsleistung der Institute und macht in der Lehre den Einsatz von Lehrbeauftragten erforderlich. Die Ursache der Vakanzen liegt zum Teil an der geringen Attraktivität des Faches für Nachwuchsmediziner und zum Teil an der Neigung der Verantwortlichen, aus nichtbesetzten Stellen Sachmittel für die anatomische Forschung zu schöpfen.

3 Empfehlungen

3.1 Lehre

Der Rechnungshof akzeptiert die Auffassung der vier geprüften Medizinischen Fakultäten, dass die Ausbildung anhand von Körpern Verstorbener gegenüber einer Ausbildung an Plastinaten vorzuziehen ist, auch wenn damit Mehrkosten verbunden sind.

Die Präparierkurse sollten auch im Hinblick auf die medizinethische Dimension des Unterrichts und die dabei vermittelte Haltung in der Regel von Medizinern geleitet werden.

3.2 Weiterbildung

Der Rechnungshof empfiehlt, dass die anatomischen Institute ihre Möglichkeiten auch für Weiterbildungsangebote nutzen. Der Einsatz von gespendeten Körpern für Weiterbildungszwecke wird von den seit einigen Jahren neu gefassten Spenderverfügungen gedeckt und dient gerade bei der Weiterbildung von Chirurgen und ihren Hilfskräften dem Gemeinwohl.

Bei der Kalkulation der Entgelte für Weiterbildungsangebote muss beachtet werden, dass eine Subventionierung der Weiterbildung aus Mitteln für Forschung und Lehre nicht zulässig ist. Hingegen ist die Erwirtschaftung von Deckungsbeiträgen für die Lehre möglich und dient dem Interesse der Studierenden.

3.3 Umgang mit Körperspenden

Die in anderen Ländern übliche Erhebung von Entgelten anlässlich der Spenderverfügung hält der Rechnungshof nicht für angemessen, zumal die Entgeltlichkeit des Vertrags die Freiheit der Institute, ungeeignete Körperspenden abzulehnen, einschränkt. Es erscheint uns angebracht, die Bereitschaft von Menschen, ihren Körper der Anatomie zu spenden, durch die Übernahme der Bestattungskosten zu würdigen.

Wir empfehlen, den in Baden-Württemberg durchgehend praktizierten restriktiven und respektvollen Umgang mit Körperspenden auch in Zukunft beizubehalten. Körperspenden dürfen nur für die in der Spenderverfügung bezeichneten Zwecke verwendet werden. Ein Handel mit oder ein Transfer von Körperspenden oder Teilen davon an Dritte muss auch in Zukunft ausgeschlossen sein.

Angesichts der wachsenden Bereitschaft, Körperspenden zu leisten, empfehlen wir den Instituten, den geografischen Bereich, aus dem Körperspenden entgegengenommen werden, von vorneherein enger einzugrenzen.

Die Leistungen Dritter im Zusammenhang mit der Bestattung der gespendeten Körper müssen von den Instituten vergaberechtlich einwandfrei ausgeschrieben werden, auch wenn sich die Zusammenarbeit mit einzelnen Unternehmen seit Jahrzehnten bewährt hat.

3.4 Struktur und Perspektiven der anatomischen Institute

Das Wissenschaftsministerium und die Medizinischen Fakultäten müssen eine Strategie entwickeln, wie das Fach Anatomie für Ärzte und Wissenschaftler attraktiver gestaltet werden kann. Ohne qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchs kann die Qualität von Forschung und Lehre nicht dauerhaft gewährleistet werden. Die Entwicklung in Tübingen zeigt, dass mit einer innovativen technischen Ausstattung die Attraktivität des Faches für alle Beteiligten gesteigert werden kann.

4 Stellungnahme des Ministeriums

4.1 Forschung und Lehre

Das Wissenschaftsministerium schließt sich der Auffassung der Anatomischen Fachgesellschaft an, wonach für die Berufung auf einen Anatomielehrstuhl nicht ein Studium der Humanmedizin die entscheidende Qualifikation darstelle, sondern die Weiterbildung zum Fachanatom, die neben Humanmedizinern auch Zahnmediziner, Veterinärmediziner und Absolventen anderer Studiengänge der Lebens- und Naturwissenschaften absolvieren können. Das Studium der Humanmedizin sei kein allein qualifizierendes Auswahlkriterium.

Im Hinblick auf die individuelle Erklärung zur Erfüllung der Lehrverpflichtung teilt das Ministerium mit, dass es die Medizinischen Fakultäten erneut um Beachtung der Rechtslage und der dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften gebeten habe.

4.2 Struktur und Perspektiven der anatomischen Institute

Das Wissenschaftsministerium macht geltend, die Lehrleistung im Fach Anatomie sei sehr hoch. Dies habe zu einer Verschiebung des Tätigkeitsschwerpunkts auf die Lehre zulasten der Forschung geführt. Dadurch werde die Attraktivität des Faches reduziert und die Durchführung von Berufungsverfahren erschwert. Längerfristig sollte die Belastung durch Lehraufgaben zugunsten der Forschungstätigkeit reduziert werden. Dazu bedürfe es einer angemessenen Ausstattung mit Personal und technischen Geräten. Die Erhöhung der Personalausstattung für die Lehre habe allerdings kapazitätsrechtliche Konsequenzen, da es zu einer Erhöhung der Aufnahmekapazität führen würde. Langfristig müsste eine Reform des Kapazitätsrechts in Betracht gezogen werden. Außerdem sollten eine angemessene Bezahlung erreicht sowie das Gehaltsgefälle zwischen Ärztinnen und Ärzten reduziert werden, die nach dem Tarifvertrag der Länder bzw. nach dem Tarifvertrag für Ärzte bezahlt werden. Möglich wäre dies beispielsweise durch die Einrichtung einer eigenen Vergütungsgruppe für Ärzte in den vorklinischen Instituten ohne Krankenversorgung.

Die Aussichten auf eine Reform des Kapazitätsrechts sowie die Einrichtung einer zusätzlichen Vergütungsgruppe seien derzeit und in naher Zukunft allerdings gering. Auch stünden hierfür keine Haushaltsmittel zur Verfügung.

5 Schlussbemerkung

Wir halten an der Empfehlung fest, dass anatomische Institute zu einem größeren Anteil mit ärztlichem Personal ausgestattet werden sollten. Gerade weil die Präparierkurse jenseits der Vermittlung von Wissen und praktischen Fertigkeiten eine berufsethische Dimension aufweisen, sollte dieser Teil der Lehre überwiegend von Medizinern geleistet werden.

Die Dokumentation der Erfüllung der individuellen Lehrverpflichtung darf nicht nur Gegenstand wiederholter Hinweise des Wissenschaftsministeriums sein; die Dekane der Medizinischen Fakultäten müssen vielmehr nachhaltig für die Umsetzung der geltenden Dokumentationspflichten sorgen. Die Hochschulleitung und das Ministerium sollten sich von der Erfüllung der Lehrverpflichtung stichprobenweise überzeugen.

Für die Attraktivität des Faches Anatomie sollten nicht nur finanzielle Gesichtspunkte maßgeblich sein, sondern der besondere Anspruch, dem sich dieses Fach bei der Ausbildung junger Mediziner stellen muss. Die anatomischen Institute in Tübingen und Ulm zeigen, dass die Herausforderungen der Lehre nicht, wie in der Stellungnahme des Ministeriums impliziert, Forschung behindern, sondern im Gegenteil besondere Forschungsleistungen generieren können.