Die beruflichen Schulen mit Kopfsatzförderung sind mit den staatlichen Zuschüssen überfinanziert. Das Land sollte für diese Schulen die Zuschüsse nicht erhöhen.
1 Ausgangslage
In der öffentlichen Diskussion wird immer wieder geltend gemacht, Privatschulen seien unterfinanziert. Bereits 2007 stellten wir für die beruflichen Privatschulen, die einen jährlichen Zuschuss je Schüler erhalten (sogenannte Kopfsatzförderung), das Gegenteil fest. Sie waren überfinanziert. Dessen ungeachtet will das Land auch deren Förderung anheben.
2007 bezahlten diese Schulen ihre Lehrkräfte weit unter dem Niveau vergleichbarer öffentlicher Schulen. Einige Schulen verlangten überhöhte Schulgelder. Die angemessene Bezahlung der Lehrkräfte und moderate Schulgelder sind aber gerade Voraussetzungen für die Genehmigung einer Privatschule. Ein Großteil der untersuchten Schulen hätte nicht genehmigt werden dürfen, weil sie diese Voraussetzungen nicht erfüllten.
Unsere Erkenntnisse beziehen sich ausschließlich auf die beruflichen Privatschulen mit Kopfsatzförderung. Dieses Schulsegment expandiert überproportional. Seit 2008 entstanden rund 200 solcher Bildungsangebote neu. Möglicherweise haben die wirtschaftlichen Interessen der Schulträger diesen Trend begünstigt. Dies war für uns Anlass, das Thema 2011 noch einmal aufzugreifen. Wir untersuchten die Schulträger mit den meisten Neugründungen.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Die Schulen sind überfinanziert
2.1.1 Förderansatz des Landes
Das Land muss die privaten Schulträger finanziell unterstützen, soweit sie die Kosten des Schulbetriebs nicht mit Schulgeldern decken können. Dazu vergibt das Land Förderbeträge je Schüler (Kopfsätze). Bei deren Höhe orientiert es sich an den Kosten der entsprechenden öffentlichen Schulen. Die Kosten der privaten Schulträger sind für solche Berechnungen nicht relevant.
Die Kopfsätze der untersuchten Schulen entsprachen 2009 einem Kostendeckungsgrad von 70,5 Prozent im Vergleich zu den Kosten öffentlicher Schulen. Aus dem Kostendeckungsgrad kann nicht abgeleitet werden, inwieweit die tatsächlichen Kosten der privaten Schulträger gedeckt sind. Dennoch soll die Förderung auf 80 Prozent der Kosten öffentlicher Schulen angehoben werden. Die Landesregierung selbst wies bereits 2009 in einer Mitteilung an den Landtag (Landtagsdrucksache 14/5590, Seite 4) darauf hin, dass dieser „politisch angestrebte Kostendeckungsgrad von 80 Prozent“ verfassungsrechtlich nicht erforderlich sei.
2.1.2 Tatsächlicher Kostendeckungsgrad der Zuschüsse
Eine Personalstelle an öffentlichen beruflichen Schulen kostet nach den Berechnungen des Kultusministeriums von 2009 jährlich 70.446 Euro. Die vergleichbaren Personalkosten privater Schulträger für ein Deputat von 25 Wochenstunden betragen durchschnittlich 33.723 Euro. Dieses ist der Mischwert aus den tatsächlich gezahlten Gehältern, zuzüglich der Arbeitgeberbeiträge für die Sozialversicherung und den Honoraren. Für die Sachkosten der privaten Schulträger unterstellen wir gleich hohe Kosten wie an öffentlichen Schulen.
Die tatsächlichen Gesamtkosten der privaten Schulträger (Personal- und Sachkosten) betragen 58,4 Prozent der Kosten der öffentlichen Schulen. Nachdem die Privatschulen Zuschüsse von 70,5 Prozent der Kosten für öffentliche Schulen erhalten, entsprechen die Kopfsätze einer Förderung von 121 Prozent (Berechnung 70,5 Prozent : 58,4 Prozent). Die staatlichen Zuschüsse übersteigen damit die Gesamtkosten der privaten Schulträger um 21 Prozent (Überdeckung).
Bei den Schulen für Gesundheitsfachberufe reichen nach Auffassung des Sozialministeriums die Kopfsätze nicht aus. Diese Schulen seien nicht mit öffentlichen Schulen aus dem Geschäftsbereich des Kultusministeriums vergleichbar. Sie würden wegen sehr kleiner Lerngruppen mehr Personal benötigen und hätten wegen teurer Ausstattungen höhere Sachkosten. Ob diese Argumente zutreffen, haben wir nicht untersucht.
2.2 Detailergebnisse zu den Lehrkräften und Schulgeldern
Die Personalkosten und die Schulgelder sind wesentliche Parameter für die finanzielle Situation der Schulträger. Gleichzeitig sind eine angemessene Bezahlung der Lehrkräfte und moderate Schulgelder Voraussetzungen für die Genehmigung und staatliche Förderung einer Privatschule. Wir untersuchten beide Kriterien bei zehn Schulträgern mit 2.000 Lehrkräften und einem Unterrichtsvolumen von 23.000 Wochenstunden. Die folgenden Detailergebnisse zeigen die Diskrepanz zwischen den Genehmigungsvoraussetzungen nach dem Privatschulrecht und den tatsächlichen Verhältnissen.
2.2.1 Bezahlung der festangestellten Lehrkräfte
Nach dem Privatschulrecht muss die wirtschaftliche Stellung festangestellter Lehrkräfte „genügend gesichert sein“. Deshalb darf die Bezahlung nicht wesentlich hinter dem öffentlichen Niveau zurückstehen. Eine konkretere rechtliche Vorgabe fehlt. Die Rechtsprechung und die Literatur akzeptieren eine Abweichung nach unten bis zu 20 Prozent.
Die durchschnittlichen Monatsbruttogehälter für ein Deputat von 25 Wochenstunden reichten trägerbezogen von 2.461 Euro bis 4.000 Euro. Der Durchschnittswert lag bei 3.100 Euro.
2.2.2 Situation der freien Mitarbeiter
Der Unterricht wurde zu 67 Prozent von freien Mitarbeitern auf Honorarbasis gehalten. Privatschulrechtlich ist bei „nebenamtlichen und nebenberuflichen“ Lehrkräften die Höhe der Bezahlung unbeachtlich. Offen ist jedoch, wann eine Tätigkeit noch „nebenamtlich“ beziehungsweise „nebenberuflich“ ausgeübt wird. An öffentlichen beruflichen Schulen sind Nebentätigkeiten bis zu fünf Wochenstunden erlaubt.
Im Geschäftsbereich des Kultusministeriums unterrichteten 72 Prozent der freien Mitarbeiter mehr als fünf Wochenstunden. Jeder dritte freie Mitarbeiter unterrichtete über 12,5 Wochenstunden und damit mehr als die Hälfte eines öffentlichen Vollzeit-Deputats; 76 freie Mitarbeiter unterrichteten sogar über 25 Wochenstunden und damit mehr als ein Vollzeit-Deputat.
Der durchschnittliche Honorar-Stundensatz aller Schulträger liegt unter 30 Euro. Zuschläge für Zusatzaufgaben sind darin bereits enthalten. Honorare werden nur für tatsächlich gehaltenen Unterricht bezahlt. In Ferienzeiten haben freie Mitarbeiter keine Honorareinnahmen.
2.2.3 Schul- und Unterrichtsqualität
11 Prozent des gesamten Unterrichts wurden von Lehrkräften (festangestellte und freie Mitarbeiter) gehalten, die über 30 Wochenstunden unterrichteten. Bei den letzten rund 400 Unterrichtsbesuchen benotete das Regierungspräsidium Stuttgart die methodisch-didaktische Leistung bei nahezu der Hälfte der Lehrkräfte mit 3,5 oder schlechter. Auch bleibt eine höhere Fluktuation der Lehrkräfte nicht ohne Auswirkungen auf die Unterrichtsqualität. Bei einzelnen Schulträgern waren zwischen dem Schuljahresbeginn im Herbst 2010 und dem Frühjahr 2011 bereits 8 Prozent der Lehrkräfte ausgeschieden.
2.2.4 Schulgeld (Sonderungsverbot)
Das Schulgeld darf nicht zu einer Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern führen (Sonderungsverbot). Eine betragsmäßige Vorgabe fehlt. Die Rechtsprechung hat sich in den letzten Jahren bei einem durchschnittlichen monatlichen Schulgeld von 150 Euro eingependelt. Mitte 2010 verlagerte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Grenze mit 70 Euro monatlich deutlich nach unten. Dieses Urteil wurde Ende 2011 im Revisionsverfahren aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Schulabteilungen der Regierungspräsidien und das Sozialministerium legten sich auf die Grenze von 150 Euro fest. Das Kultusministerium selbst traf wegen der wechselnden Rechtsprechung bisher keine Entscheidung.
Die untersuchten Schulen im Geschäftsbereich des Kultusministeriums erheben monatliche Schulgelder bis zu 300 Euro. Alle Größenordnungen sind gleichmäßig vertreten. Dem Kultusministerium sind diese Beträge spätestens seit unserer Prüfung 2007 bekannt.
Bei den Schulen für die Gesundheitsfachberufe sind die Schulgelder seit jeher besonders hoch. Sie betragen bis auf eine Ausnahme mehr als 150 Euro monatlich. Die Logopädieschulen verlangen mit Beträgen von 390 Euro bis 715 Euro am meisten. Bundesweit sind die Schulgelder ähnlich hoch. Das Sozialministerium rechtfertigt die Schulgeldhöhe mit den hohen Kosten der Schulträger.
2.3 Bewertung
Der Förderansatz des Landes unterstellt, die privaten Schulträger hätten vergleichbar hohe Kosten wie öffentliche Schulen. Diese Annahme trifft zumindest bei den beruflichen Schulen mit Kopfsatzförderung im Geschäftsbereich des Kultusministeriums nicht zu. Die geringen Personalkosten dieser Schulen führen zur Überfinanzierung. Mögliche Schulgeldeinnahmen, die noch nicht eingerechnet sind, verstärken diesen Effekt. Die derzeitigen Zuschüsse reichen auch dann aus, wenn Lehrkräfte angemessen bezahlt werden und kein überhöhtes Schulgeld erhoben wird.
Es gibt weder sachliche noch rechtliche Gründe, die Zuschüsse für diese Schulen im Geschäftsbereich des Kultusministeriums anzuheben. Gegen eine Erhöhung allein aus politischen Gründen spricht, dass die Schulträger ihre Lehrkräfte schlecht bezahlen. Bei den Schulen für Gesundheitsfachberufe sind weitere Untersuchungen erforderlich.
Die Mehrzahl der Lehrkräfte befindet sich nach den Kriterien des Privatschulrechts in einer wirtschaftlich unsicheren Lage. Die hohe Fluktuation der Lehrkräfte und die teilweise überhöhten Unterrichtsverpflichtungen beeinträchtigen die Schul- und Unterrichtsqualität.
Eine Schulgeldobergrenze von 150 Euro monatlich wäre angesichts der Rechtsprechung vertretbar. Gemessen daran verletzen viele Schulen das Sonderungsverbot, bei den Gesundheitsfachberufen praktisch alle Schulen sogar gravierend. Das Sonderungsverbot ist auch dann einzuhalten, wenn sich Schulträger unzureichend finanziert sehen.
Somit erfüllen viele der untersuchten Schulen die Voraussetzungen für die Genehmigung einer Privatschule nicht. Allerdings fehlen den Regierungspräsidien konkrete Vorgaben für die Genehmigungspraxis. Klärungsbedürftig ist, wie mit bereits genehmigten Schulen verfahren werden soll.
3 Empfehlungen
Der Rechnungshof empfiehlt,
- die Kopfsätze der beruflichen Privatschulen nicht anzuheben;
- zu prüfen, ob für die Schulen für Gesundheitsfachberufe aufgrund deren Besonderheiten im Schulbetrieb eigenständige Kopfsätze erforderlich sind;
- für das Genehmigungsverfahren der beruflichen Privatschulen konkret festzulegen:
- ab wann eine Bezahlung der Lehrkräfte wesentlich vom öffentlichen Niveau abweicht,
- ab welcher Wochenstundenzahl die Tätigkeit freier Mitarbeiter keine Nebentätigkeit mehr ist und
- ab welchem Betrag ein Schulgeld das Sonderungsverbot verletzt;
- zu klären, wie die konkretisierten Genehmigungskriterien bei den bereits genehmigten beruflichen Privatschulen durchgesetzt werden können.
4 Stellungnahme der Ministerien
Das Kultusministerium merkt an, die Prüfung sei nicht repräsentativ. Deshalb können die Aussagen zum Zuschussbedarf der Schulträger nicht verallgemeinert werden.
Das Kultusministerium und Sozialministerium beabsichtigen, ein Rechtsgutachten in Auftrag zu geben, das u. a. die Höhe der Vergütung von Lehrkräften, die Kriterien zur Definition, ab welchem Unterrichtsumfang Lehrkräfte nicht mehr auf Honorarbasis beschäftigt werden dürfen, und die Durchsetzung von neu definierten Kriterien bei bestehenden Schulen klären soll. Danach werde über das weitere Vorgehen entschieden.