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Denkschrift 2012

Vorwort

Wer die Zukunft gestalten will, muss sie auch finanzieren können.

1. Die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren ist in Europa, aber auch in Deutschland die zentrale politische Herausforderung. An ihr entscheidet sich die Zukunftsfähigkeit von Wirtschaft, Gesellschaft und unseres politischen Gemeinwesens.

In Deutschland, insbesondere auch in Baden-Württemberg besteht nach wie vor ein breiter politischer Konsens, die öffentlichen Haushalte zu sanieren und auf neue Schulden weitgehend zu verzichten. Das ist es, was Bürgerinnen und Bürger von einer verantwortungsbewussten Haushaltspolitik erwarten.

Allerdings werden - angestoßen durch die europäische Debatte zur Schuldenkrise - zunehmend Argumentationsmuster in die öffentliche Debatte eingeführt, die falsche Alternativen aufzeigen und verführerische Bilder zeichnen. Dazu zählen die vermeintliche Wahl zwischen guten und schlechten Schulden oder die Behauptung, die guten Schulden von heute seien die Einnahmen von morgen. Diese finanzierten eine präventive Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, die wesentlich größere Ausgaben in der Zukunft verhindere.

Nun sollte man solche floskelhaften Argumentationen aus dem politischen Tagesgeschäft nicht überbewerten, sie dürfen aber auch nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Baden-Württemberg steht vor einem anspruchsvollen und schmerzhaften Prozess der Haushaltssanierung. Die Bürgerinnen und Bürger müssen diesen Weg mitgehen und sie sind dazu im Grundsatz auch bereit. Es wäre deshalb fatal, diese Bereitschaft durch falsche Alternativen und suggestive Botschaften zu untergraben. Es geht nicht um gute oder schlechte Schulden. Die richtige Alternative ist die Frage nach den politischen Prioritäten. Ferner gilt: Wären öffentliche Schulden die Steuereinnahmen von morgen, dann dürften wir heute kein Schuldenproblem haben. Euphemistische Formulierungen lösen das Schuldenproblem nicht, sondern sind Teil des Problems. Das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts kann ohne klare, dauerhafte und nachhaltige Anstrengungen nicht erreicht werden. Wer die Zukunft gestalten will, muss sie auch finanzieren können.

2. Im Zuge der Föderalismusreform hat der Verfassungsgesetzgeber die Schuldenbremse 2009 im Grundgesetz verankert. Die Länder müssen danach ihre Haushalte ohne Kredite ausgleichen - von extremen Ausnahmen abgesehen (Artikel 109 Abs. 3 Grundgesetz). Das Grundgesetz eröffnet dafür eine Übergangsfrist bis Ende 2019, allerdings nur soweit dies geltende landesrechtliche Regelungen vorsehen. Seit 2008 lässt unser Landesrecht zusätzliche Kredite, die den bis Ende 2007 aufgelaufenen Schuldenstand (41,7 Mrd. Euro) überschreiten, nur noch bei wegbrechenden Steuereinnahmen oder bei Naturkatastrophen und vergleichbaren Ereignissen zu (§ 18 Abs. 3 Landeshaushaltsordnung). Diese Vorgaben hat der Landtag in großer Übereinstimmung getroffen. Das Land darf sich daher mit der Konsolidierung nicht bis 2020 Zeit lassen. Ziel der grundgesetzlichen Schuldenbremse war es jedenfalls nicht, neue Schulden zu erleichtern, sondern diese zu vermeiden. Diese Zielsetzung darf bei der Diskussion um eine Änderung der Landeshaushaltsordnung nicht ins Gegenteil verkehrt werden.

Baden-Württemberg sollte vielmehr die Schuldenbremse - wie andere Länder auch - in die Landesverfassung aufnehmen und ihr damit die gebührende rechtliche und politische Bedeutung verschaffen. Es gibt keinen Grund, dieses Vorhaben weiter aufzuschieben. Wer dieses Ziel nicht rechtlich verbindlich und politisch selbstbindend vorgibt, wird es nie erreichen. Die verfassungsrechtliche Verankerung erschwert nicht die Haushaltssanierung, sondern erleichtert sie.

Für die Verfassungsänderung ist eine breite parlamentarische Mehrheit notwendig. Dieser Weg könnte auch dazu beitragen, Entscheidungen über Strukturfragen des Haushalts auf eine breitere politische und parlamentarische Grundlage zu stellen. Dabei geht es nicht darum, den Haushalt und die mit ihm verbundenen politischen Einzelentscheidungen aus dem politischen und parlamentarischen Streit zu nehmen. Eine breitere Verständigung über Grundsatz- und Strukturfragen des Haushalts würde den Weg zu dauerhaft tragfähigen und nachhaltigen Landeshaushalten jedoch erheblich erleichtern. Nach erfolgter Verfassungsänderung könnte dieser Prozess über eine parlamentarische Enquête-Kommission zusätzlich vorangetrieben werden. Die Diskussion würde dann nicht nur in Regierungskommissionen, sondern im Parlament selbst ausgetragen werden.

3. Die stabile wirtschaftliche Lage bringt dem Land weiter wachsende Steuereinnahmen. Nach der aktuellen Steuerschätzung vom Mai 2012 werden sie in diesem Jahr um rund 1,7 Mrd. Euro auf dann über 29 Mrd. Euro steigen. Dies ist das bislang beste Jahresergebnis und es liegt deutlich über dem Niveau vor der Finanzkrise. Diese guten Voraussetzungen müssen genutzt werden, um bei der Konsolidierung des Haushalts einen großen Schritt voranzukommen.

4. Die Finanzkontrolle trifft bei ihren Prüfungen auf engagierte und aufgeschlossene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes. Diese handeln verantwortungsbewusst und haben eine große Sensibilität für Haushaltsfragen. Der Rechnungshof und die Staatlichen Rechnungsprüfungsämter prüfen und kontrollieren, sie beraten und diskutieren aber auch ergebnisoffen mit den geprüften Stellen und ihren Aufsichtsbehörden. Gemeinsam ist es auf diesem Weg möglich, auch über das konkrete Prüfungsthema hinaus zusätzliche Impulse für mehr Wirtschaftlichkeit zu geben.

Landtag, Fraktionen und Landesregierung waren wiederum in hohem Maße an unseren Vorschlägen und Empfehlungen interessiert. Sie haben nach kritischer Diskussion vieles aufgegriffen und sich zu eigen gemacht. Der Finanz- und Wirtschaftsausschuss hat unsere Denkschrift 2011 intensiv beraten, konkrete Empfehlungen ausgesprochen und wichtige Anstöße gegeben.

Karlsruhe, im Mai 2012

Max Munding
Präsident des Rechnungshofs
Baden-Württemberg
  1. Haushaltsrechnung, Haushaltsplan und Haushaltsvollzug
  2. Ressortübertgreifende Empfehlungen
  3. Besondere Prüfungsergebnisse